Die Zusammensetzung der Muttermilch (MM) variiert. Sie wird beeinflusst durch das Stadium der Laktation (Kolostrum, Transitorische MM, Reife MM, Entwöhnungsphase), das Gestationsalter des Babys (Früh- oder Termingeborene) und der Ernährung der Mutter (Fettsäurenprofil, Vitamingehalt, einige Mineralien. Der Fettgehalt der Muttermilch wird beeinflusst durch die Dauer einer Stillmahlzeit, Stillverhalten des Babys, Parität, mütterlicher Ernährungsstatus, Rauchen etc..
Laktationsstadien
Kolostrum
Wird in den ersten 5 Tagen postpartumgebildet. Es ist gelblich (β-Karotin), von dickflüssige Konsistenz und in den ersten Tagen zwischen 2-20 ml pro Stillmahlzeit vorhanden. Kolostrum enthält dreimal so viel Protein wie reife Muttermilch. Die Immunfaktoren, wie sekretorisches IgA und Laktoferrin sind hochkonzentriert. Es ist fett- und laktosearm, sehr vitamin- (Vit A, E) und mineralstoffreich und somit ideal für die ersten Mahlzeiten eines Neugeborenen, damit der kleine Körper nicht belastet wird. Gleichzeitig wird durch das Kolostrum die Mekoniumausscheidung angeregt. Kolostrum fördert das Wachstum des Laktobazillus Bifidus im Darm und es hat eine stabilisierende Wirkung auf den Blutzucker. Ein gesundes Neugeborenes benötigt keine Zufütterung von Glucose und/oder künstlicher Milch! (Quelle: Academy of Breastfeeding Medicine, Protokolls Supplementation and Hypoglycämia)
Transitorische Milch (Übergangsmilch)
Wird etwa zwischen dem 6.-13. Lebenstag gebildet und ändert sich in der Zusammensetzung bis zur Bildung von reifer Muttermilch.. Alpha-Laktalbumin, Lipiden und Laktose steigen an, während die Proteine IgA, IgG, Lysozym, Laktoferrin, Natrium und Eisen nun geringer werden..
Reife MM
Wird in der Phase der Laktationserhaltung gebildet. Die Milchmenge beträgt nach 14 Tagen, über das System von Angebot und Nachfrage (je öfter der Säugling die Brust stimuliert, desto mehr Milch wird gebildet) circa 500-700 ml /Tag.
Die Entwöhnungsphase
Beginnt mit der Einführung von zusätzlicher Nahrung. Wird neben der Beikosteinfuehrung weiter gestillt, steigen Protein (um 42%), Natrium (120%) und Fett an, während sich der Eisen- und Laktosegehalt verringert. Der Calciumgehalt ist gleichbleibend. Die Immunsstoffe IgA, Laktoferrin und Lysozym steigen wieder an und bieten dem Kind, das zunehmend beginnt seine Welt zu erkunden und dadurch im erhöhten Maße in Kontakt mit Bakterien ec. kommt, weiterhin Schutz.
Zusammensetzung reifer MM
Wasser
MM besteht aus 88% aus Wasser. Das unterstützt den Wasserhaushalt des Neugeborenen und dient zur Temperaturreglung. Eine zusätzliche Gabe von Wasser ist daher unnötig.
Kohlenhydrate
Die Laktose ist das wichtigste Kohlenhydrat der MM und deckt zu ca. 40% den Energiebedarf eines Babys. Ihre Konzentration in der MM ist relativ konstant (6,2-7,2 g/100ml) und sie lässt sich nicht durch die Ernährung der Mutter beeinflussen. Auch das laktoseaufspaltende Enzym Laktase ist in der MM vorhanden und ergänzt so die noch nicht vollkommen ausgebildete Fähigkeit des Neugeborenen, im Darm Laktase zu bilden. Durch Laktase vorzerlegt, wird Laktose vollständig zu Galactose und Glucose abgebaut.
Glucose stellt Energie für körperliche Aktivität zur Verfügung. Galaktose ist essentiell für die Produktion von Galaktolipiden, welche für die Entwicklung des Zentralen Nervensystems unentbehrlich ist. Die Laktose fördert die Calciumaufnahme des Babys, liefert schnelle Energie für den Stoffwechsel und die Gehirnentwicklung und regt die Darmperistaltik an. In der MM sind in niedrigerer Konzentration Oligosaccharide, Glykoproteine, Polysaccharide, Glukosamine enthalten. Sie sind u.a. mit dem Bifidusfaktor, der nur in menschlicher Milch vorkommt, an der Wachstumsförderung des Laktobazillus Bifidus beteiligt und tragen so zur optimalen Darmflora des muttermilchernährten Babys bei.
Lipide
Die Fette der MM sind der Hauptenergielieferant (ca. 50% der Kalorien). Die Konzentration wird durch das Stillverhalten beeinflusst und ist in der Zusammensetzung die variabelste Substanz. Je länger die Intervalle zwischen den Stillmahlzeiten sind, desto niedriger ist der Fettgehalt, wobei die sogenannte Hintermilch am Ende einer Stillmahlzeit bis zu fünf mal mehr Fett enthält als die Vordermilch, die den Durst des Kindes löscht. Triglyceride stellen den höchsten Anteil der MMfette dar und werden durch das Enzym Lipase in Glycerin und freie Fettsäuren aufgespalten. Lipase ist im Darm des Kindes und in der MM enthalten. Dadurch wird die Fettverdauung erleichtert.
Das Verhältnis zwischen gesättigten und ungesättigten Fettsäuren ist relativ stabil (42% zu 57%).
Innerhalb der ungesättigten Fettsäuren sind vor allem die langkettigen mehrfach ungesättigten Fettsäuren wichtig (LC PUFA), denn sie können entweder gar nicht oder nur eingeschränkt gebildet werden. Daher müssen sie regelmäßig mit der Nahrung zugeführt werden. Je nach Struktur werden die langkettigen mehrfach ungesättigten Fettsäuren in Omaga-3- und Omega-6- Fettsäuren eingeteilt. Sie sind wichtig für die Gehirnentwicklung, die Myelinisierung der Nerven, der Entwicklung der Retina und Sehkraft. Der Anteil dieser Fettsäuren ist in der MM etwa viermal so hoch, wie in Kuhmilch und wird durch die Ernährung der Mutter beeinflusst. Der Gesamtfettgehalt in der MM obliegt jedoch eher dem Stillmanagement.
Verschiedene freie Fettsäuren und Monoglyceride der MM wirken antiinfektiös. Der Resitencefaktor ist Teil einer freien Fettsäure und wirkt gegen Streptokokken!
Der Fettanteil der MM beinhaltet ebenfalls die fettlöslichen Vitamine, Phospholipide und Cholesterin. Letzterer ist in der MM höher, als in der Kuhmilch. Es wird vermutet, dass diese Tatsache einen ausgeglicheneren Cholesterinhaushalt im Erwachsenenalter mit sich bringt und das Risiko für koronare Herzkrankheiten senkt.
Protein
Reife MM enthält 0,8-0,9 g Eiweiss/100ml, was circa 70-75% des Gesamtstickstoffgehaltes ausmacht und für ein gutes Gedeihen des Kindes ausreichend ist. Eine zu hohe Eiweißzufuhr wuerde die Nieren belasten. Die anderen 25-30% sind nicht eiweißgebundener Stickstoff, vor allem Nukleotide und Harnstoff. Dazu eine Anzahl freier, essentieller Aminosäuren wie Leucin, Valin und Thyeonin.
Alle in der MM enthaltenen Proteine haben dienen z.B. als Verdauungsenzyme und Antikörper. Nachdem sie diese Funktion erfüllt haben, werden sie zu Ernährungszwecken abgebaut und dienen dann als Nährstoffe oder Baustoffe zur Bildung von DNA und RNA. In der MM sind alle essentiellen Aminosäuren vorhanden, ebenso wie Cystin und Taurin, die wichtig für das Körperwachstum sind und eine wichtige Rolle bei der Fettverdauung durch Gallensäure, bei der Entwicklung des Gehirns und des zentralen Nervensystems, sowie der Retina spielen. Der hohe Gehalt an Zytokinen unterstützt die Entwicklung und Reifung des Immunsystems. Gestillte Kinder haben im Vergleich zu nichtgestillten eine deutlich größere Thymusdrüse.
Die in der MM vorhandenen Proteine sind entweder der Kasein (20-40%) oder der Molkefraktion (60-80%) zuzuordnen. Das Kasein gerinnt nur grob und ist damit schwer verdaulich ist, wobei sich menschliches Kasein physiochemisch vom Kuhmilchkasein unterscheidet. Es unterstützt durch die Bildung von Kaseinmicellen im Gegensatz zur Kuhmilch die Aufnahme von Kalzium und Phosphor. Die Molkeeiweisse bestehen vorwiegend aus Alpha-Laktalalbumin, Serum-Albumin, Laktoferrin, Immunglobulinen (vor allem sIgA) und Lysozym und spielen bei der Immunabwehr eine wichtige Rolle.
Laktoferrin kommt nur in MM vor. Es bindet Eisen und nimmt damit den Bakterien ihre Wachstumsgrundlage.
Immunglobuline (IgA, IgG, IgD, IgE, IgM)
Das wichtigste Immunglobulin der MM ist das sekretorische IgA . Es wird in der Brustdrüse gebildet und gespeichert. Es wirkt gegen ein breites Spektrum von Bakterien und Viren, lagert sich am Epithelium des Darms an. Es bietet einen besonderen Schutz gegen Allergien und Nahrungsintoleranz. Bei schwerer Unterernährung der Mutter (< 1000 Kcal) sinkt der sIgA-Gehalt der MM, so wie auch andere immunologische Komponenten.
Lysozym ist ein unspezifischer antimikrobieller Faktor und in der MM 3000-fach höher konzentriert als in Kuhmilch. Es hat die Fähigkeit Bakterienwände zu spalten. Der Lysozymgehalt der MM steigt im Laufe der Stillzeit an! B12-Bindungsprotein bindet das Vit. B12, sodass es für Bakterienwachstum nicht zur Verfügung steht.
Zelluläre Komponenten
MM enthält ca. 4000 lebende Zellen / mm³: Makrophagen, Lymphozyten, Neurophile, Granulozyten und Epithelien. 90 % davon sind "Fresszellen". Sie greifen fremde Keime an und lösen sie auf (Pilze, Bakterien, Latex).
Mineralstoffe und Spurenelemente
Als Asche wird der Gesamtgehalt an Mineralstoffen und Spurenelementen bezeichnet. Der Mineralstoffgehalt (außer Mg) ist in den ersten Tagen postpartum am höchsten. Die Ernährung der Mutter beeinflusst den Mineralstoffgehalt der MM nur minimal, weil der Organismus über eigene Regulationsmechanismen und Reserven verfügt.
Kalium= in den ersten 5 Tagen postpartum deutlich erhöht (Schutz vor Dehydration)
Calcium= dreimal weniger als in Kuhmilch vorhanden, wird jedoch durch das ideale Calcium-Phosphor-Verhältnis und hohem Laktosegehalt wesentlich besser resorbiert!
Eisen= normalerweise ist das Hämoglobin eines Neugeborenen sehr hoch, sinkt jedoch rasch ab. Auch wenn der Eisengehalt der MM gering ist, braucht ein gesundes, termingeborenes Baby keine Supplementation vor dem 6.-7- Lebensmonat, denn das Eisen aus der Muttermilch wird dank des hohen Laktose- und Vitamin C-Gehalts besser aufgenommen, als Eisen aus der Kuhmilch! Auch hat die frühe Beikostgabe einen negativen Einfluss auf die Eisenabsorptionsrate, Eisengaben erhöhen die Gefahr des Wachstums schädlicher Bakterien und verändern die Darmflora negativ!
Zink= ist essentiell für das Wachstum des Kindes und die Zellimmunität, sowie für den Aufbau und Funktion von Enzymen.
Fluor= der Fluorgehalt ist niedrig und von der Ernaehrung der Mutter abhängig. Fluor soll dem Kind erst an dem 6. Lebensmonat gegeben werden, wenn das Trinkwasser nicht fluoridhaltig ist.
Chlor= Ein Mangel kann Gehirnschäden verursachen.
Vitamine
Alle Vitamine sind in der MM normaler Weise ausreichend vorhanden, die Konzentration kann bei einigen von der Ernährung der Mutter beeinflusst werden. Vorhanden sind fettlösliche Vitamine: A,D,E,K und wasserlösliche Vitamine: B1, B2, B6, B12, C, H
Hormone
MM enthält viele Hormone (Prolaktin, Oxytocin, Adrenal- und Ovarialsteroide, Prostaglandine, Insulin, Gonadotropin-Releasing-Hormon, Schilddruesenhormone…)
Enzyme
In der MM sind mehr als 20 Enzyme nachgewiesen. Der Grossteil sind Molkenproteine.
Wachstumsfaktoren
MM enthält wachstumsfördernde und wachstumsregulierende Faktoren.